In Formation
bringen
Der Anfang von Nico Pachalis Werken liegt in der
Zeichnung. Mit Zeichnung ist hier das Zeichnen von Schrift
gemeint und das Schraffieren, mit Linien Rhythmisieren,
Notieren, Kommentieren, Analysieren oder Skizzieren. Die Schrift in Pachalis
Werken ist nicht einfach Schrift. Sie ist Material seiner forschenden
Praxis. Er nutzt die Eigenschaften von Schrift als Schriftsprache,
die Inhalt ergibt und ebenso als Schriftbild, welches formal durch
die Art und Anordnung ihrer Zeichen entsteht. Pachali rhythmisiert
den Raum des Papiers mit Schrift, füllt Flächen und übergeht dabei die
Regeln der Text- und Bildgestaltung. Er untersucht, wie die
verschiedenen Elemente sich zueinander und zum Raum des Papiers
verhalten und wie die Sprache in Wechselbeziehung dazu steht.
Das Dekonstruieren und Konstruieren von Schrift bzw. ihren Zeichen ist
ebenfalls Teil seiner zeichnerischen Praxis („Schreibübungen (maps)“). Nico Pachali schafft formal eine
eigene Sprache, bei der die Rhythmisierung von Raum und das Verhalten
von Formen zueinander und zum Raum des Papiers in den Vordergrund tritt.
Zugleich ist für Pachali Schrift ein Analysewerkzeug. Er skizziert
bereits existierende Werke macht Notizen oder Verweise und reflektiert
damit sein bisheriges Vorgehen. Die inhaltliche und formale
Ebene bleibt bei allen Ansätzen gleichwertig.
Der Schritt zwischen dem Zeichnen einzelner Zeichnungen ist ein ebenso wichtiger Prozess
in der künstlerischen Praxis von Pachali. Pachali sortiert die Zeichnungen
und unabhängig von Ausstellungssituationen bringt er sie
immer wieder einzeln oder in Gruppen an die Wand und positioniert sie
auf dem Boden. Einige Zeichnungen werden in kleinen Sammlungen von Objekten
(„BODY 11“, „BODY 9“, „BODY 8“) verpackt
– gefaltete und bezeichnete Hüllen in denen sie lagern.
Das Sammeln und zuordnen ist eine menschliche Praxis. Wie in den
Wissenschaften können oft erst durch sammeln und zuordnen
bestimmt Zusammenhänge verstanden werden. Das Herstellen von Bezügen
zwischen einzelnen Elementen, wie Pachali es auf
dem Papier durchführt, dehnt er durch Zuordnen, Anordnen und „in
Formation bringen“ in den Raum aus. In einem reflexiven und vor
allem selbstreflexiven Prozess werden die „in Formation gebrachten“
Zeichnungen und Objekte dann durch Skizzen wieder zu neuen analytischen
Zeichnungen („letter to space nr. 66“,
„letter to space nr. 69“).
Für das einzelne Werk bedeutet das, die Abwesenheit
von Abgeschlossenheit. Die Arbeiten sind flexibel in der Möglichkeit ihrer
Anordnung. Mehrere Zeichnungen bekommen in einem temporären Gefüge
immer wieder einen eigenständigen Werkcharakter. Auch danach werden
sie oftmals wieder in eine neue Formation gebracht.
Pachalis Werke sind gleichzeitig Forschung und gesammeltes Material seiner
Forschung. In seiner künstlerischen Praxis: zeichnen,
anordnen, dokumentieren, kommentieren, analysieren, gruppieren, entstehen immer
wieder neue Fragen, die Pachali bearbeitet und so einen kontinuierlichen
Prozess weiter aufrechterhält.
Lisa Thiele, 2023